Ist die Fiktive Abrechnung am Ende?
Das Landgericht Darmstadt hat ein Urteil des Bundesgerichtshofes zur fiktiven Schadensabrechnung zum Anlass genommen, die Klage eines Unfallgeschädigten auf fiktive Abrechnung als unbegründet abzuweisen. Ist die fiktive Abrechnung des Unfallschadens damit am Ende?
Was ist von der Meinung aus Darmstadt zu halten?
Mein erster Gedanke war
Was ist denn jetzt kaputt? Habe ich was verpasst? Ist das Gesetz geändert worden? Teilen der Rechtsprechung ist die fiktive Abrechnung schon länger ein Dorn im Auge.
Das Landgericht Darmstadt hat gleich zweimal (LG Darmstadt, Urteil vom 15.06.2018, 8 O 134/16 und Urteil vom 05.09.2018, 23 O 386/17) eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Anlass genommen hat, der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall eine Absage zu erteilen. Aber ganz ohne sich ans Gesetz zu halten.
Dort steht nach wie vor in § 249 II 1 BGB: Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Jeder, dem ein Fremdschaden zugefügt wurde, will den früheren Zustand so schnell wie möglich wieder hergestellt haben.
Dafür steht jedem Unfallgeschädigten der erforderliche Geldbetrag zu.
Wie das Geld dann verwendet wird, geht nur den Geschädigten etwas an.Das heißt beim Sachschaden kann man frei entscheiden,
- ob in der Werkstatt komplett repariert wird,
- ob nur ein bisschen was repariert wird,
- ob das Geld für etwas anderes eingesetzt wird.
Gerade am Jahresanfang können schließlich viele das Geld anderweitig gut gebrauchen, um die ganzen Abbuchungen im Januar zu decken.
Ziel des Schadensersatzrecht ist es, einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zu erzielen.
Sie allein bestimmen, ob Sie von dem Betrag
- Ihre Versicherungsbeiträge,
- die Steuernachzahlung oder
- den nächsten Urlaub
finanzieren. Ein Geschädigter soll so gestellt werden, als sei nie ein Schaden entstanden oder eine Verletzung aufgetreten.
Dass Praxis und Realität da leider oftmals auseinander gehen, steht auf einem anderen Blatt.
Beim BGH ging es um Werkvertragsrecht
Der Fall, den der Bundesgerichtshof am 22.02.2018 entschieden hat, hatte überhaupt nichts mit Schadensersatzrecht zu tun. Der Fall handelte von Gewährleistungsansprüchen aus einem Werkvertrag. Für den Fall hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass der so genannte kleine Schadensersatz im Werkvertragsrecht nicht fiktiv abgerechnet werden könne.
Recht auf fiktive Abrechnung ist gesetzlich verankert
Dass ist die Grundlage der fiktiven Schadensabrechnung sogar gesetzlich festgeschrieben ist, hat das Landgericht Darmstadt weder in der einen, noch in der anderen Entscheidung berücksichtigt. Die Richter haben sich schlicht und ergreifend über die Gesetzeslage hinweggesetzt und eine gesetzeswidrige Entscheidung gefällt.
Jetzt setzt sich das OLG Frankfurt am Main mit diesen Urteilen auseinander.
Sprich: die Entscheidungen aus Darmstadt sind noch nicht rechtskräftig und es kann davon ausgegangen werden, dass das OLG Frankfurt am Main diese Urteile kassieren wird.Solange der Gesetzgeber keine neue gesetzliche Grundlage für das Schadensersatzrecht schafft, wird es wohl weiterhin die Möglichkeit zur fiktiven Abrechnung geben.
Fiktive Abrechnung hat auch Vorteile
Schließlich hat die fiktive Schadensabrechnung durchaus auch positive Aspekte, die für ihren Erhalt sprechen. Deshalb ist auch nicht davon auszugehen, dass die Versicherungen aktuell auf diesen Zug aufspringen und Ihnen die fiktive Abrechnung verweigern werden.
Wie mein lieber Kollege Joachim Otting von Unfallregulierung effektiv es kurz und korrekt ausdrückt, können die Versicherungen bei keinem Schaden mehr sparen, als bei einem der fiktiv abgerechnet wird:
- keine Mehrwertsteuer,
- die Kürzungen bei den Reparaturkosten werden eher akzeptiert,
- keine Verzögerungen bei Ersatzteillieferungen und damit höre Nutzungs Ausfallkosten oder Mietwagenkosten.
Was halten Sie von den Entscheidungen aus Darmstadt? Soll die fiktive Schadensabrechnung abgeschafft werden?
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