Das Gutachten bietet einige wesentliche Vorteile für Sie, die Sie nutzen sollten.

Neulich saß ich mit einer Mandantin zusammen, die ihren ersten Autounfall hatte. Als ich sie fragte, ob sie eine Gutachter hat, oder ob ich ihr einen empfehlen soll, fragte sie mich völlig erstaunt, ob sie selbst einen Gutachter beauftragen darf. Sie dachte, sie müsse einen von der Versicherung nehmen.
Wenn Sie wissen wollen, warum ich der Mandantin geraten habe, einen freien Gutachter zu nehmen und weshalb diese Empfehlung auch für Sie gilt, dann lesen Sie bitte weiter.

  1. Beweissicherung

Das Gutachten ist die Grundlage für die Werkstatt, was den zu wählenden Reparaturweg angeht. Es dient aber nicht nur als Reparaturgrundlage und Schadenskalkulation, sondern auch zur Beweissicherung.
Bei der Schadensregulierung gibt es oft genug Auseinandersetzungen mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, die gerne auch im Nachhinein Zahlungen bei den Reparaturkosten verweigern will. In solchen Fällen ist es wichtig, auf ein Schadensgutachten zurückgreifen zu können. Denn wenn die Versicherung vor der Reparatur keine Einwände gegen das Gutachten erhoben und die Werkstatt sich bei der Reparatur an das Gutachten gehalten hat, muß die Versicherung die vollen Reparaturkosten bezahlen.
Kürzt sie trotzdem, haben Sie vor Gericht sehr gute Chancen, dass die Versicherung zur Zahlung verurteilt wird.
Das Gutachten nimmt auch zu Vor- oder Altschäden an Ihrem Fahrzeug Stellung, was im Haftpflichtschadensfall besonders wichtig ist.

2. Wertminderung

Bei jüngeren Fahrzeugen ist ein Gutachten schon deshalb sinnvoll, weil an Ihrem Auto eine Wertminderung entstanden sein könnte. Wenn Sie auf ein Gutachten verzichten und stattdessen nur einen Kostenvoranschlag erstellen lassen, bringen Sie sich selbst um Ihre Wertminderung.
Im Kostenvoranschlag finden Sie keine Angaben zu einer möglichen Wertminderung und verschenken Geld. Denn wenn Sie das Fahrzeug später verkaufen und dem Käufer mitteilen, dass der Wagen einen Unfallschaden hatte, ist schon vorprogrammiert, dass der Kaufinteressent den Kaufpreis drücken wird und Sie Kürzungen beim Verkaufspreis hinnehmen müssen. Diese Kürzung soll durch die Wertminderung ausgeglichen werden. Die erfahren Sie aber nur durch ein Gutachten.

3. Grundlage für die Reparatur

Der Sachverständige bestimmt im Gutachten den Reparaturweg, den die Werkstatt zu wählen hat. Dabei werden die einzelnen von der Werkstatt durchzuführenden Arbeiten, die Stundenverrechnungssätze und die benötigten Ersatzteile kalkuliert.
Auf diese Kalkulation dürfen Sie als Unfallgeschädigter vertrauen und die Werkstatt beauftragen, so zu reparieren, wie es im Gutachten steht. Erhebt die Versicherung gegen das Gutachten keine Einwände und repariert die Werkstatt nach den Vorgaben des Gutachtens, sind spätere Kürzungen bei der Reparaturrechnung rechtswidrig. Mit einem Sachverständigengutachten schaffen Sie eine tragfähige Grundlage, um den Schaden an Ihrem Fahrzeug gegenüber der Versicherung durchsetzen zu können.

4. Das Gutachten legt die übliche Reparaturdauer fest

Damit Sie einen Anhaltspunkt haben, wie lange Sie einen Mietwagen anmieten dürfen bzw. wie viel Tage Ihnen Nutzungsausfall zusteht, müssen Sie wissen, wie lange die Reparatur dauern wird. Es ist zwar möglich, dass die Reparatur sich länger hinzieht, als der Sachverständige ins Gutachten geschrieben hat. Um aber überhaupt Mietwagenkosten oder Nutzungsausfall geltend machen zu können, müssen Sie wissen, wie lange die Reparatur voraussichtlich dauern wird. Das erfahren Sie im Kostenvoranschlag nicht.

Der Anspruch auf das Gutachten besteht auch ohne Reparatur!

Sie haben das Recht, ein eigenes Schadensgutachten einzuholen und einen Gutachter Ihrer Wahl zu beauftragen, wenn kein Bagatellschaden vorliegt. Das ist die einzige Ausnahme, bei der Sie nach einem unverschuldeten Unfall keine Zahlung für einen Gutachter erwarten können.


Liegt ein Bagatellschaden vor, müssen Sie sich mit einem Kostenvoranschlag begnügen. Bei einem Bagatellschaden haben Sie keinen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten, da die Kosten hierfür einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellen. Die Grenze für den Bagatellschaden ziehen die Gerichte nach wie vor bei 750,00 €. Hier gibt es mittlerweile große Anstrengungen der Versicherungen diese Bagatellschadengrenze in die Höhe zu treiben. Lassen Sie sich darauf nicht ein.


Wenn Sie von der Versicherung ein Schreiben erhalten in dem zu lesen ist, dass bei vermeintlichen Reparaturkosten von über 1.000,00 € angeblich ein Bagatellschaden vorliegt und damit kein Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten besteht, ist das einfach nur falsch.

Ansonsten gilt: Sie dürfen den Gutachter selbst wählen und Sie sollten ihn selbst wählen.

Sie müssen nicht bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers nachfragen, ob Sie einen eigenen Gutachter beauftragen dürfen. Vor allem müssen Sie keinen Gutachter der Versicherung akzeptieren. Mit dem Recht auf einen eigenen Gutachter soll Waffengleichheit zur Haftpflichtversicherung hergestellt werden. Die Versicherung hat eigene Gutachter, die Ihnen technisch überlegen sind.
Diese Überlegenheit soll dadurch ausgeglichen werden, dass Sie auf Kosten der Versicherung einen Sachverständigen beauftragen können, den Sie frei wählen.
Denn Sie müssen nicht darauf vertrauen, dass ein Sachverständiger, der im Auftrag der Versicherung handelt und vor allem die von der Versicherung zu bezahlenden Schäden kalkulieren soll, unparteiisch und zu Ihren Gunsten den Schaden schätzt.
Das Recht auf einen Gutachter wird immer wieder durch die Gerichte bestätigt, auch durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.11.2004, VI ZR 365/03.

Welche Vorteile hat das unabhängige Gutachten?

Sie erhalten eine objektive Wertermittlung eines neutralen Gutachters. Die Gutachter, die von den Versicherungen geschickt werden, kalkulieren zugunsten ihres Auftraggebers und haben oft konkrete Vorgaben, welche Positionen zu streichen sind.
Der Gutachter der Versicherung ist darauf bedacht, den Schaden, den sein Auftraggeber zu bezahlen hat, möglichst gering zu halten. Das führt in vielen Fällen dazu, dass die Unfallfahrzeuge regelrecht kaputt gerechnet werden. Während ein unabhängiger Gutachter zu dem Ergebnis kommen würde, dass noch ein Reparaturschaden vorliegt, können Sie in der Regel davon ausgehen, dass der Versicherungsgutachter einen wirtschaftlichen Totalschaden kalkulieren wird.
Da werden die Reparaturkosten und der Restwert des Fahrzeugs etwas höher kalkuliert und der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ein wenig niedriger angesetzt.
Sofern überhaupt eine Wertminderung im Gutachten auftaucht, ist die üblicherweise auch wesentlich niedriger als bei einem unabhängigen Gutachter.
Kommen wir noch zu der Frage, die Sie sicher interessiert.

Wer zahlt das Gutachten?

Die Kosten für das Schadensgutachten im Haftpflichtfall hat die Versicherung des Unfallverursachers zu bezahlen. Wenn Sie an dem Unfall überhaupt keine Schuld haben, werden die Kosten vollständig übernommen.
Trifft Sie eine Mitschuld, wird eine Haftungsquote festgelegt und die Kosten für das Gutachten nach dieser Quote erstattet. Typischer Fall sind die Parkplatzunfälle, wenn beide gleichzeitig ausparken und sich in der Mitte treffen. Die Versicherung reguliert den Schaden mit einer Quote von 50%, also werden auch die Gutachterkosten zur Hälfte erstattet.
Im Gegensatz zum Gutachten werden Kostenvoranschläge häufig noch gratis erstellt.
Berechnet Ihre Werkstatt aber den Aufwand für einen Kostenvoranschlag, sind diese Kosten von der Versicherung zu erstatten.
In den Abrechnungsschreiben ist zwar dann immer mal zu lesen, dass die Kosten für den Kostenvoranschlag bei der Reparatur verrechnet würden. Diese Auffassung ist falsch. Wenn die Werkstatt Ihnen eine Rechnung für die Erstellung des Kostenvoranschlags stellt, muss die Versicherung die Kosten für ebenfalls übernehmen.

Fazit:

  • Ist die Bagatellschadengrenze von 750,00 € erreicht, dürfen Sie einen Gutachter Ihrer Wahl beauftragen.
  • Das Gutachten gibt Ihnen eine Beweissicherungsgrundlage und
  • ermittelt eine Wertminderung, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.
  • Zur Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer macht das Gutachten ebenfalls Angaben.
  • Das Recht auf ein Gutachten besteht unabhängig davon, ob Sie den Schaden reparieren lassen.

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